Mittwoch, 28. Dezember 2016

T-O-A


Ich träume von einem Mann, der an seiner Depression erstickt. Jedes seiner wundervollen Worte ist ein Schlag in mein Gesicht. Sein Selbsthass mauert mich ein und ihn aus. "Ich liebe dich", sage ich. Daraufhin prügelt er mir grausames Schweigen ein bis ich zitternd am Boden liege. Das muntere Mauern geht weiter. Dabei sehe ich immer noch besser aus als er. "Ich hab's dir doch gesagt", sagt er und ich erwache aus einem Traum, in dem ich wegen einer Bindung zu einem Opfer wurde.

Ich träume, dass ich diejenige bin, die erstickt. Jedes meiner vollen Worte ist ein Schlag in sein Gesicht. Ich hämmere mit bloßen verbalen Fäusten die Schönheit aus seinem unschuldigen Leben. Er sehnt sich nach mir, windet sich und bettelt um meine Liebe. Bevor ich kotzen muss cheate ich mir ein kommunikatives Waffen- Arsenal herbei. Gelangweilt switche ich zwischen Machete, Uzi und Shotgun hin und her. Ein Molotov Cocktail fliegt direkt in seine atemberaubend traurig Fratze. "Ich hab's dir doch gesagt.", sage ich und erwache aus meinem Traum, in dem ich wegen einer Bindung zum Täter wurde.

Ich träume, dass ich einen Mann heirate und dieser Mann heiratet mich. Wir erschlagen andere mit Worten. Oft schreiben wir sie auf um nicht zu ersticken. Sie zu lesen schmerzt noch mehr als sie zu hören.  Andere. Nicht uns. Wir sezieren uns selbst in Briefen, die wir uns gegenseitig schicken. Er ist perfekt darin. Ich werde es noch. Weil ich es jetzt kann. Wir trauen uns in der Stadt unseres Traums. "Wir haben's euch doch gesagt", sagen wir und ich erwache aus einem Traum, in dem zwei schriftschaffende Bindungsphobiker einem Täter- Opfer- Ausgleich zustimmen.

Sonntag, 26. Juli 2015

Fahren ohne Führerschein

Der Strafverteidiger, sein Mandant und dessen Lebensgefährtin betreten den Saal. Zwischen der letzten Verhandlung und dieser wurde keine Pause eingelegt. Das stört mich nicht, denn ich mag meine Arbeit. Live miterleben wie die Richter und Staatsanwälte völlig machtlos mit den Armen wedeln wie bei der Weltmeisterschaft der Trockenschwimmer ist unbezahlbar. Die Lebensgefährtin des Angeklagten trottet entlang der Reihe von Zeugen und Angehörigen. Sie stoppt vor einem Stuhl in der Mitte der Reihe. Hinter ihr sitzt ein blondes Mädchen, nicht älter als 20. Vielleicht auch jünger. Sie verzieht ihr hübsches Gesicht zu einer grotesken Maske als Rucksack und Lebensgefährtin synchron auf den Stuhl vor ihr niederplumpsen. Ich weiß, dass sich die Hübsche nicht nur vor der mangelnden Körperpflege dieses Wesens ekelt. Nicht vor den triefenden Haaren, ihrer aschfahlen, trockenen Haut oder den wunden Stellen an Armen, Rücken und Händen. Vor vier Tagen kniete dieses wandelnde Stück Scheiße noch vor mir, deswegen weiß ich es genau. Dort bettelte sie als ginge es um ihr Leben. Dann blies sie mir einen. Nicht besonders gut, aber man muss auch die mildernden Umstände erkennen. Ich bin schließlich kein Unmensch. Danach bettelte sie weiter bis ich ihr schließlich gab, was sie brauchte. Das war das allerletzte Mal. Selbst ein dreistündiges Bad kann ihren Verwesungsgestank wahrscheinlich nicht wegwaschen. Sie stinkt nach purer Hoffnungslosigkeit - so süßlich wie eine Leiche, die man nach drei Wochen zufällig in einer Zwei-Zimmer- Wohnung findet. Und das nur, weil die Nachbarn eben diesen seltsamen Geruch bemerkt und Polizei gerufen haben. Sowas passiert öfters als Sie denken. Glauben Sie mir. Gern würde ich eine Fensterscheibe des Gerichtssaals mit dem dümmlich dreinblickenden Strafverteidiger einschlagen damit die hübsche Blonde ein bisschen frische Luft bekommt. Im Übrigen hat dieser Verteidiger seine Zulassung sowieso nur durch mich bekommen. Naja, eigentlich durch einen guten Freund von mir. Sie wissen schon. Einen dieser wirklichen guten Freunde und ich hab ihn vermittelt. Denn das ist mein Beruf. Ich vermittle Dinge. Der Haufen, der neben dem Verteidiger liegt, ist übrigens der Angeklagte. Fahren ohne Fahrerlaubnis wird ihm zur Last gelegt. Er ist von den Fußsohlen bis zum Haarscheitel voll mit Methamphetamin. Sein Vorstrafenregister umfasst so viele Seiten wie die "Herr der Ringe"- Trilogie. Daher wurden bei der Verlesung nur einige besonders Highlights verkündet. Zwischen Tisch und Gesicht des Angeklagten sind nur wenige Zentimeter Abstand. Seine Augen wirken wie zwei der Mottenlöcher in seiner schwarz-grün gestreiften Strickjacke. Seit ich ihn kenne hab ich ihn nur in dieser Jacke gesehen. Die Motten in der Jacke fressen sich bis unter seine Haut. Sie surren dort umher und legen ihre Eier in winzig kleine Nester ab. Dort schlüpfen noch kleinere Maden heraus und krabbeln durch seinen ganzen Körper. Das hat er mir zumindest erzählt. Bei ihm sind es Maden, bei anderen sind es Käfer. Diese dreckigen Junkies sind kreative Menschen, müssen Sie wissen. Ich finde das erbärmlich. Wie dieser Typ dort kauert, sich unentwegt kratzt und durch die Löcher in seiner Jacke die Maden unter seiner Haut anstarrt. Solche Leute gehören angespuckt, wenn Sie mich fragen. Manchmal tue ich das auch. Aber Geld ist nun mal Geld und wie schon gesagt, ich vermittle Dinge eben gut. Die Vermittlung von Drogen ist immer eine lukrative Sache. Wissen Sie eigentlich, wie verflucht billig die Herstellung von Crystal Meth ist? Nicht, dass ich das selbst mache. Ich habe schließlich einen Ruf und meine Körperteile zu verlieren. Ich bin nur hier um dafür zu sorgen, dass ich meine Kundschaft nicht verliere. Während ich Ihnen das alles erzählt habe hat der vorsitzende Richter den planlosen Strafverteidiger verbal zerfleischt, wie Hannibal Lecter sein letztes Abendmahl. Gleich möchte der Richter sicher die Meinung der Schöffen wissen. Die Schöffen, das sind mein guter Freund, von den ich Ihnen bereits erzählt habe und ich. Wir werden uns auf einen Freispruch einigen. Das tun wir in solchen Fällen immer.